Windsurfen und Wingfoilen, geht das? Gibt es eine innere Zerreißprobe? Muss ich mich für eins entscheiden?
Ich stehe nun seit 2 1/2 Jahren auf einem Wingfoil Board und habe diesen Schritt seit dem noch nie bereut. Doch manchmal plagt mich mein schlechtes Gewissen, meiner ersten Liebe gegenüber, dem Windsurfen. Dieses Jahr habe ich deutlich mehr Tage auf dem Foil verbracht als mit einer Finne unter dem Board. Aber sollte ich deshalb meine Windsurfmaterial verkaufen und den Sport ganz an den Nagel hängen? Zeit für eine ehrliche Zwischenbilanz.
Wann gehe ich Wingfoilen?
Ab drei bis vier Windstärken geht Wingfoilen bei mir los. Dann reicht der Wind für meinen 5,4er Wing mit großem Foil. Bei solchen Bedingungen wäre ich früher auch nie windsurfen gegangen. Mein größtes Segel war mal ein 6,2 qm. In einer solchen Situation besteht also schon mal keine Konkurrenz zwischen den beiden Sportarten.
Aber was ist, wenn der Wind zunimmt? Nun ja, dann kommt ein kleiner Wing bzw. ein kleineres Foil zu Einsatz.
Früher bin ich an meinem Homespot gerne mit einem 100 l Freestyle Board und einem 5,3 qm Segel und kleiner aufs Wasser gegangen. Das hat am Flachwasserspot auch Spaß gemacht, nur ist der SW-Wind in Laboe (HIER gehts zum Spotguide), wie der Name schon sagt, auch sehr böig. Man steht auch immer wieder und wartet darauf, dass einem die nächste Böe ins Gleiten schubst.
Das gibt es beim Wingfoilen nicht. Windlöcher werden einfach durchfahren. Ist man einmal im Foilen, reicht es auch noch, wenn der Wind mal ein bisschen nachlässt.
Der nächste Vorteil beim Wingfoilen ist, dass man auf Flachwasser einfach höher springen kann, zumindest ich. Ich muss zugeben, dass ich beim Windsurfen nie so ein guter Freestyle war.
Resultat: auf Flachwasser gehe ich erst windsurfen, wenn es mir meinen 3er Wing aus den Händen reißt.
Ähnlich verhält es sich auch bei den meisten anderen Ostseespots. Damit sich eine ordentliche Welle aufbaut, braucht es auf der Ostsee leider nun einmal auch ordentlich Wind. Ist der Wind nicht so strak, bleibt die Welle auch klein und somit zum Windsurfen nicht so reizvoll. Und genau hier schlägt wieder die Stunde des Foils. Ab einer Höhe von 40 cm geht’s los. Teilweise holt man sich die Wellen von ganz draußen und kann sie bis kurz vor den Strand abreiten.
Mit anderen Worten: ich gehe (leider) nur noch sehr selten auf der Ostsee windsurfen.
An der Nordsee oder am Atlantik ist die Situation ähnlich. Nur spielt hier der Wind nicht eine so große Rolle, sondern die Form der Wellen und der Zugang zum Spot.
Sind die Wellen rund und nicht so steil, holt man mit dem Foil das meiste raus und es macht einfach nur irre viel Spaß.
Spots mit sattem Shorebreak meide ich beim Wingfoilen. Ich habe schon meine entsprechenden Erfahrungen gemacht und weiß, dass es nicht lustig ist mit Wing, Board und Foil gewaschen zu werden. Obendrein wird es dann meistens auch sehr teuer.
Wann gehe ich Windsurfen?
Ich liebe es, wenn es richtig hackt und ich mich mit den Naturgewalten messen kann. Genau dann gehe ich windsurfen. Wingfoilen kann man dann sowieso vergessen. Ich habe festgestellt, dass, wenn mein 3,4er Wing zu groß ist, ich nahtlos mit meinem 4,2er Windsurfsegel weitermachen kann. Und genau auch dann werden auf der Ostsee die Wellen für’s Windsurfen interessant, sowohl für’s Abreiten als auch für’s Springen. Das ganze Wasser ist jetzt sehr auf gewühlt und mit einem Foil hätte man öfters mit Strömungsabrissen zu kämpfen, wenn der Frontflügel ungewollt aus dem Wasser kommt.
Windsurfen ist im Vergleich zum Wingfoilen der brachialer Sport. Es braucht viel mehr Kraft damit es losgeht. Die Rückmeldung vom Wasser ist deutlich direkter. Ich schaffe beim Windsurfen auch nur maximal die Hälfte der Wasserzeit wie beim Wingfoilen, da ich irgendwann regelrecht fertig bin.
Nach einer solchen Session bin ich einfach nur geflasht und merke, dass auch Windsurfen seine Berechtigung hat.
Am Atlantik oder an der Nordsee gibt es genug Spots mit ordentlichen Shorebreak, wo ich mit Wingfoil-Sachen nicht mehr rausgehe. Oft sind an solchen Spots die Wellen auch steiler, so dass man mit einem Segel in der Hand und Finnen unter dem Board richtig Spaß haben kann. Es gibt nichts besseres als down the line zu fahren und einen ordentlichen cutback in eine Welle zu hauen, die einen danach auch wieder mitnimmt. Ich liebe solche Bedingungen und schwärme noch Tage danach davon.
Fazit
Ich werde mein Windsurfmaterial nie verkaufen, dafür habe ich in manchen Bedingungen einfach zu viel Spaß. Wingfoilen stellt in meinen Augen die perfekte Ergänzung zum Windsurfen da. Die Kombi aus beiden Sportarten holt einfach das absolute Maximum aus allen Bedingungen heraus. Dabei hat jede Disziplin ihre Grenze, die sich aber in gegenseitiger Harmonie wieder aufhebt.
Mit dem Wingfoilen habe ich meine zweite große Liebe gefunden und lebe nun in einer polyamoren Beziehung mit Windsurfen und Wingfoilen. 🙂